OT- Philip Pullman - an der Angel


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Abgeschickt von Chris am 08 April, 2002 um 01:12:43

Hallo Ihr Lieben,

ich bin ein wenig in der Versenkung verschwunden weil ich nämlich gerade etwas wunderschönes, superspannendes, herzanrührendes lese, aber Martines Blinker ist doch bis auf den Grund meines gemütlichen moosgrünen Teich gesunken, also schnapp ich danach:

Philip Pullmans „Golden Compass“ hat mich absolut verzaubert. Ich hab es innerhalb von drei Tagen verschlungen und bin im Moment beim zweiten Teil der Trilogie, „the subtle knife“. Ich hatte vor ca. einem Jahr im „Spiegel“ eine Kritik gelesen, die mich sehr angerührt hat. Abgesehen davon, dass es sehr selten ein „Fantasy“-Roman in den Spiegel schafft, klang die Kritik nach Welten, die DD-Leser ansprechen könnte. Hach, und ich habe alles bestätigt gefunden.

Es ist zum einen und ersten ein „Quest“-Roman, das heißt ein Auszug und eine Suche, bzw. Aufgabe. Ich liebe das Quest-Genre, vielleicht ist das mal wieder die Karl-May-Leserin in mir. (Mir fällt gerade ein, dass die beiden DD-Serien sich eigentlich nicht um eine „Suche“ drehen, eher ist der Held permanent auf der Flucht vor etwas, das er gar nicht finden will. Wenn in den Chronicles einer seine Aufgabe gefunden hat und durch die Lande zieht ist das eigentlich Philippa, L. tut ja sein bestes, sie davon abzuhalten!)

Aber zurück zum Goldenen Kompass, in vielen Kritiken griff man natürlich zum „Herrn der Ringe“ als Vergleich, aber das ist mir inzwischen zu abgegriffen, bzw. steht einfach als Synonym für „supergeile Fantasy“. Pullmann hat aber Welten erschaffen, die durchaus für sich stehen können. Mir fällt spontan Astrid Lindgren ein: seine Heldin ist ein 11jähriges Mädchen, das als Waise aufwächst und all die Tapferkeit, Widerborstigkeit und Sturheit von Lindgrens Mädchenfiguren aufweist. Ihr Hauptcharaktereigenschaft ist ihre Gabe zur Lüge und Verstellung, die sie routiniert pflegt und ausbaut. Lyra hat keine Manieren, (oder nur, wenn sie ihr nutzen), keinen Respekt und würde nie zeigen, dass sie Angst hat. Sie ist leidenschaftlich, verstockt und ganz einfach cool. Beispiel: sie trifft einen gleichaltigen Jungen, von dem sie nichts weiß, die beiden sind allein auf sich gestellt und teilen sich eine Wohnung. Um etwas über ihn zu erfahren, befragt sie ihren „Alethiometer“, ein Gerät, das nur sie beherrscht und das immer die Wahrheit sagt. Zitat:

„...the needle began to sweep around the dial in a series of pauses and swings almost too fast to watch. She had asked: What is he? A friend or an enemy? The alethiometer answered: He is a murderer.

When she saw the answer, she relaxed at once. He could find food, and show her how to reach Oxford, and those were powers that were useful, but he might still have been untrustworthy or cowardly. A murderer was a worthy companion. She felt as safe with him as she’d felt with Iorek Byrnison, the armored bear.

She swung the shutter across the open window so the moring sunlight wouldn’t strike in on his face, and tiptoed out.

Zitatende. Außer Lyra, dieser zauberhaften Heldin gibt es noch jede Menge andere Wesen, die einem ans Herz wachsen, Panzerbären zum Beispiel (endlich mal ein Wort, das in deutsch besser als in Englisch klingt), deren Seele und Sein in ihrer Rüstung liegt, Hexen, die Fesselballons durch die Lüfte ziehen und jung und schön sind und nie frieren. Und vor allem natürlich die Daemons, der genialste Einfall von allen. In Lyras Welt hat jeder Mensch einen Begleiter in Tiergestalt, der seine Seele ist, hält und trägt. Die Daemons von Kindern können noch die Gestalt wechseln, von Hummel bis zu Leopard, wie’s gerade passt und Spaß macht. Wenn sie in die Pubertät kommen, legt sich der Daemon dann auf eine Gestalt fest und behält sie bei. Lyra fragt einmal, warum das so sein müsse und erhält die Antwort, das habe auch seinen Vorteil, weil die endgültige Gestalt des Daemon immer auch die Natur des jeweiligen Menschen widerspiegele, „so mancher träumt von einem Löwen als Daemon und muss sich dann mit einem Pudel begnügen.“ Allein diese Idee bereichert die Figuren ungemein, denn jeder wird, wie beiläufig auch immer, mit seinem „Daemon“ geschildert.

Dann gibt es natürlich auch die große philosphische Idee, die die Romane trägt. Nur soviel, der Feind ist „the Church“, die Priester, die Religion oder das, was die bigotte Zunft daraus macht. Die kommen so schlecht weg, bis jetzt, dass ich denke, manche Amis würden zusammenzucken.

Großer Gott, das ist viel länger geworden, als ich wollte, aber das liegt an Lyra. So, jetzt sinke ich wieder auf den Grund, wenn eine von euch die Serie schon kennt, bin ich neugierig, wie ihr es findet.

Lieben Gruß
Chris



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