Re: KH/ Claes/ @Heike


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Abgeschickt von Heike am 06 August, 2001 um 11:37:48:

Antwort auf: KH/ Claes/ @Heike von Kathrin am 05 August, 2001 um 13:58:03:

Hallo Kathrin,

Du schreibst:
: Nachdem ich mich nun also mal ernstlich bei Claes herumgetrieben habe (nach einer Stunde auch endlich das Rätsel gelüftet hatte, was eigentlich die mysteriösen "files" sind und nach drei Stunden dann doch schon die Dikussionen um Mitte des zweiten Buches erreichte...) muß ich hier doch meinen Senf dazu ablassen.
: Erstmal die wahrscheinlich schon tausendmal gehörte und beantwortete Frage: Wie kommt man nur zu einer solch wahnsinnigen, beeindruckenden Ansammlung von Hintergrundwissen??? Und wieviel Zeit braucht man für eine solche Bibliothek im Kopf, oder bringt das der Beruf mit sich? Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hast Du Dich schon immer für die Zeit um 1000 interessiert und bist erst später auf KH gestoßen? Und wie oft warst Du schon in Orkney/ Norwegen/ Island usw.?

Uh-oh, das sind aber eine ganze Menge Fragen! Zum Hintergrundwissen: das ist eigentlich das Ergebnis von zwanzig Jahren Leseerfahrung. Meine Erfahrung ist, daß von allem, was man liest, irgendwas irgendwie hängenbleibt. Und im Lauf der Zeit bekommt man dann ein Gefühl dafür, welche Informationen man wo finden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist z.B. die Geschichte des Irischen Mönchtums im Mittelalter; irgendwann in den Achtzigern hatte ich mal zwei Bände mit Aufsätzen gelesen, die das Ergebnis einer Konferenz in Tübingen zu diesem Thema enthielten. Und als ich dann bei DD die Irischen Mönche in Köln erwähnt sah, wußte ich, wo ich weitere Infos darüber finden konnte und holte mir die Bücher wieder aus der Leihbücherei.

Die 'Bibliothek', wie Du sagst, befindet sich zwar sicher auch im Kopf; teilweise aber auch in meinen Bücherregalen. Und mein Einstieg, lange bevor ich '92 auf KH gestossen bin, war die mittelalterliche isländische Literatur ('saga' ist ein Sammelbegriff, den ich eigenlich nicht so gern mag, weil er soviele unterschiedliche Genres zusammenfasst). Bei den historiographischen Werken (vor allem Snorri's Heimskringla) hat mich fasziniert, dass hier, im Vergleich zu manch anderen Geschichtsschreibern der gleichen Periode, die eher zum Märchenerzählen neigen, auch versucht wird, kritisch zu argumentieren. Und bei den 'Romanen' hat mich der 'Realismus' und vor allem der Stil begeistert. Der durchgehende Verzicht auf die 'Innensicht' der Charaktere - ein Stilmittel, das DD als einzige mir bekannte moderne Autorin auch fast durchgehend bei allen Charakteren verwendet - und vor allem der durchstrukturierte Aufbau der Erzählungen und der rabenschwarze Humor machen einige dieser Erzählungen für mich zum Besten, was je an Literatur geschrieben wurde. Wer 'Saga-Stil' mit verschwurbelten langatmigen Erzählungen in altmodischer Sprache gleichsetzt, ist auf dem völlig falschen Dampfer.

Auf den Orkneys war ich bisher zweimal, in Island einmal (wenn's dort nur nicht so teuer wäre, Island ist wirklich ein faszinierendes Land). Allerdings nicht so sehr wegen DD, sondern weil's mich grundsätzlich interessiert hat (und ich die Wärme nicht so vertrage). DD schreibt Fiktion, und ihr 'Orkney' oder ihr 'Schottland' sind nicht real, außer in der Phantasie des Lesers - und dort sind sie absolut real, genauso wie Karl Mays Wilder Westen oder Tolkiens Mittelerde.


: Zu Deinen files bin ich noch nicht gekommen, habe nur einen kurzen Blick hineingeworfen - bin jedenfalls schon sehr gespannt. Ach ja, ich hatte die Fragen schon mal erwähnt, aber möchte sie doch noch gerne mal loswerden: Hat die Silbe "finn" eigentlich eine Bedeutung z.B. in Thor-finn? Und sind seine Söhne, die im selben Jahr starben, natürlichen Todes von dieser Welt gegangen?

'Finn' hat eine Bedeutung, es existiert ja auch als selbständiger Name oder in Verbindung mit anderen Vorsilben, z.B. in Kolfinn, Audfinn, Arnfinn, etc., etc.. Allerdings muß ich leider gestehen, daß mir die Bedeutung gänzlich unbekannt ist - wie Du siehst, bin ich doch nicht so 'allwissend'.;-)

Zu Paul und Erlend: beide starben in Norwegen als 'Gäste' (sprich: Geiseln) des norwegischen Königs; der eine in Nidaros (Drontheim), der andere in Bergen (aber frag' mich nicht, welcher wo starb, das müßte ich auch erst nachgucken). Sowohl die Orkneyinga saga als auch Snorri erwähnen ihren Tod (wobei Snorri evtl. auch die OS als Quelle benutzt hat) und beide sagen nichts von einem unnatürlichen Tod, auch nicht indirekt oder in Anspielungen. Der norwegische König hatte Ambitionen, sein Einflußgebiet auf die Irische See und Irland auszudehnen und wollte die Orkneys als Basis nutzen. Die Earls waren da nur im Weg, daher hat er die Orkneys 1098 (?) besetzt, die beiden Earls nach Norwegen verfrachtet und ihre jeweiligen Söhne als Geiseln in sein Gefolge aufgenommen. Die Orkneys wollte er seinem eigenen Sohn übertragen. Der Tod von Paul und Erlend kurz danach kam also sehr gelegen; allerdings ist das kein Beweis für einen etwaigen Mord, da, wie gesagt, ja auch noch die Söhne da waren. Und die kamen kurze Zeit später, nach König Magnus Tod, auch wieder in Orkney an die Regierung, da Magnus Sohn genug damit zu tun hatte, sich in Norwegen an der Macht zu halten.

Und das ist wahrscheinlich mehr, als irgendwer wissen wollte ...

Viele Grüße

Heike


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